Kaufvertragsrecht: Thema Aufklärungspflicht des Verkäufers
Ein Verkäufer erfüllt mit der Übergabe von Unterlagen seine Aufklärungspflicht nur dann, wenn er durch eine bestimmte Sachlage die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen nicht nur zum Zwecke der allgemeinen Information, sondern gezielt unter einem bestimmten Gesichtspunkt durchsehen wird.
Der Sachverhalt
Im Kaufvertrag über ein gebrauchtes (759 m² großes) Hausgrundstück wird die Gewährleistung ausgeschlossen. Dieses Grundstück ist mit einem massiven Holzzaun eingefriedet und in diese Einfriedung mit einbezogen ist ein 185 m² großer Teil des Nachbargrundstücks. Der unbefangene Betrachter ordnet diese Teilfläche aufgrund der gärtnerischen Gestaltung und des Einfahrtbereiches dem verkauften Grundstück zu. Der Käufer verlangt wegen unterlassener Aufklärung Schadenersatz vom Verkäufer.
Die Entscheidung
Das Oberlandesgericht Hamm verneint einen Schadensersatzanspruch. Dem Käufer seien
vor Abschluss des Kaufvertrages zwei Objektordner mit Grundstücksunterlagen
übergeben worden. Nach Angaben der Verkäufer haben sich in diesen Ordnern Lagepläne
des Grundstückes befunden, aus denen sich der Grenzverlauf des Grundstücks mit
hinreichender Deutlichkeit ergeben habe.
Der BGH hingegen hebt das Urteil des OLG Hamm auf. In seinen Entscheidungsgründen
weist der BGH darauf hin, dass der Verkäufer wusste, dass der Gartenzaun fremden
Grund und Boden einbezog. Es entspricht der gängigen Rechtsauslegung, dass auch in
Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, es
jedem Vertragspartner obliegt, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die
den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Kaufentschluss
von wesentlicher Bedeutung sind. Somit hätte der Verkäufer den Käufer davon
unterrichten müssen, dass der Zaun nicht die Grenze des Grundstücks markiert. Der
Verkäufer habe seine Verpflichtung auch nicht dadurch erfüllt, dass er dem Käufer einen
Ordner überließ, in dem sich neben Exposé auch Lagepläne des Grundstücks befanden.
Mit der Übergabe von Unterlagen erfüllt der Verkäufer seine Aufklärungspflicht nur dann,
wenn er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer
die Unterlagen unter einem bestimmten Gesichtspunkt gezielt durchsehen wird. Das soll
z. B. dann anzunehmen sein, wenn der Käufer im Zusammenhang mit möglichen
Mängeln ein Sachverständigengutachten vom Verkäufer erhält. Ein redlicher Verkäufer
kann hingegen nicht erwarten, dass ein Käufer einen ihm übergebenen Ordner mit
Unterlagen zu dem Kaufobjekt darauf durchsieht, ob in die Einfriedung des Grundstücks
möglicherweise fremder Grund einbezogen ist. Da der Verkäufer weiter behauptet, dass
er mündlich den Käufer auf den tatsächlichen Grenzverlauf hingewiesen habe, hat der
BGH den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das OLG Hamm zurückverwiesen.
Das Fazit
Die Verletzung von Aufklärungspflichten, d.h. die Verpflichtung, den anderen Teil auf
entscheidungserhebliche Umstände hinzuweisen, stehen zunehmend bei
Grundstücksgeschäften im Fokus der Aufmerksamkeit. Sowohl dem Verkäufer als auch
im weiteren Verlauf dem Makler drohen Schadensersatzansprüche des Käufers gemäß §
280 Abs. 1 BGB, wenn aufgrund unterlassener Aufklärung Gefahren für das
Integritätsinteresse des Käufers bestehen und sich verwirklichen können. Der Verkäufer
kann sich nicht entlasten, wenn er ohne besonderen Hinweis auf mögliche Mängel dem
Käufer Unterlagen zur Verfügung stellt und es dem Käufer überlässt, diese auf nicht
angesprochene Mängelumstände durchzusehen.
BGH, Urteil vom 11.11.2011, Az. V ZR 245/10
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